Edersee mit tiefsten Stand seit 1990

Altes Staumauermodell taucht komplett aus dem Wasser auf

(sv) Der Pegel des Edersees in Hessen sinkt immer weiter. Nachdem der Wasserstand am Morgen des 30. September noch bei 221,13 Meter lag, tauchte bei 221,05 Metern ein altes Modell der Staumauer auf, an dem man Stauverhalten und Abflüsse zuvor getestet hat. Dies war zuletzt vor 13 Jahren der Fall. Anfang Oktober wurde noch mehr Wasser aus dem Stausee abgelassen. Am 14. Oktober wurde ein vorläufiger Tiefststand von 218,66 Metern erreicht, nachdem der Wasserspiegel innerhalb von drei Tagen um 2 Meter abgesenkt worden war. Dadurch ermöglichste man das Verlegen neuer Rohrleitungen bei Bringhausen. Der Wasserspiegel veränderte sich danach nur noch wenig, da kaum Wasser für den Schiffsverkehr auf der Weser abgegeben wurde.

Die Hauptaufgabe des Edersees liegt nämlich in der Speisung der Weser, durch Ablassen von Wasser soll der Fluss auch in trockenen Zeiten wie in diesem Jahr schiffbar gehalten werden. Im Jahre 1905 begannen die Planung und drei Jahre später der Bau, bis das Tal im Jahre 1914 nach und nach geflutet wurde. Direkt an der Bericher Hütte baute man zuvor allerdings ein Modell der Staumauer, an dem der Mühlenbach testweise aufgestaut und die Regulierung des Abflusses getestet wurde. Die Stauseebetreiber nutzen das Niedrigwasser, um Sanierungsmaßnahmen durchzuführen und auch die alten Bauten zu sichern.


© by Thomas Sävert - Die Staumauer ist etwa 47 Meter hoch und am Fuß 35 Meter breit. Die 6 Meter breite Krone ist für Fußgänger freigegeben.

Britische Flugzeuge bombadierten die Staumauer allerdings in der Nacht vom 16. zum 17. Mai 1943. Damals entstand fast genau in der Mitte der Mauer ein riesiges Loch, durch das sich eine gewaltige Flutwelle von etwa 160 Millionen Kubikmeter Wasser ins darunter liegende Edertal ergoss. Damals wurde in England für diesen Angriff extra eine spezielle Rotationsbombe entwickelt. Die entstandene Lücke konnte aber innerhalb weniger Monate wieder geschlossen werden und im Jahre 1944 waren die restlichen Arbeiten an der Staumauer abgeschlossen. In den Jahren 1991 bis 1994 passte man die Staumauer den neuesten Erkenntnissen an, damit sie auch ein 1.000jähriges Hochwasser schadlos überstehen würde. Dazu wurden insgesamt 104 Stahlanker von der Mauerkrone bis tief in den Felsgrund getrieben.

Gebaut wurde die Edertalsperre für folgende Bestimmungen: Bis 1960 wurde der Mittellandkanal vor allem in den Sommer- und Herbstmonaten in Minden aus der Weser gespeist. Der Verlust wurde aus dem Edersee und aus dem Diemelsee ausgeglichen, bevor sich eine andere Lösung für den Kanal ergab. Zweitens wird mit dem Wasser aus dem Stausee die Schiffbarkeit der Weser gewährleistet und in Minden ein minimaler und für den Schiffsverkehr schon knapp bemessender Wasserstand von 1,20 Metern angestrebt. Betroffen sind vor allem Fahrgastschifffahrt und Kiestransporte auf der Oberweser bei Rinteln. Allerdings muss eine Mindestreserve in den Stauseen verbleiben. Wenn der Pegel des Edersees so niedrig ist wie derzeit, dann wird der Abfluss deutlich reduziert. Das aktuelle Niedrigwasser im Edersee ist also nicht auf natürliche Weise entstanden, sondern wird sozusagen künstlich erzeugt.

Eine Kuriosität am Rande: In Ausnahmefällen veranlasst das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt eine vorübergehende Erhöhung der Wasserabgabe an die Weser. Damit können zum Beispiel Schwertransporte oder Überführungen größerer Schiffe sichergestellt werden. Nach Bestellung der entsprechenden Wassermengen wird an den beiden Talssperren eine kleine, möglichst genau dosierte Flutwelle erzeugt, die nach etwa 16 Stunden Hann. Münden und nach ca. 50 Stunden Minden erreicht.

Weitere Aufgaben der Ederseetalsperre bestehen im Hochwasserschutz für die Gemeinden an der unteren Eder und an der Oberweser, indem Wasser zurückgehalten wird. Ist allerdings - wie im vergangenen Winter und im Frühjahr - die Speicherkapazität des Stausees erschöpft, dann läuft die Talsperre über und der Hochwasserschutz ist nicht mehr gegeben. Immerhin konnten im März 1999 das Zusammentreffen der Hochwasserwellen aus Fulda und Weser vermieden werden.

Als viertes ist noch die Energiegewinnung zu nennen. Eder- und Diemeltalsperre zusammen erzeugen etwa 22 Megawatt, womit rund 16.000 Haushalte versorgt werden können. Dazu kommen noch die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt am Stausee sowie zahlreiche andere Aufgaben des Sees. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist über die vergangenen Jahrzehnte der Fremdenverkehr geworden. Im Sommer lädt der See zum Baden, Segeln, Tauchen etc. ein. Und manchmal gibt der See bei sinkendem Wasserstand alte Geheimnisse preis, die dann tausende Menschen aus ganz Deutschland anziehen. Je nach Ausmaß der in den kommenden Tagen zu erwartenden Regenfälle könnte das Wasser zwar vorübergehend wieder ansteigen, dennoch dürfte der See noch bis in den Winter hinein ein Anziehungspunkt für alle sein, die eine Reise in die Vergangenheit unternehmen wollen.

Man darf also gespannt sein, wie die weitere Entwicklung des Wasserstandes im Edersee verläuft. Vieles hängt natürlich von den weiteren Niederschlagsmengen ab, für deren Erfassung das Wasser- und Schifffahrtsamt Hann. Münden im 1.443 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der Eder zahlreiche automatische Messstellen eingerichtet hat. Auch die Pegelwerte werden ständig direkt nach Hann- Münden übertragen, wo dann entschieden wird, ob und wieviel Wasser an die untere Eder und damit an die Weser abgegeben wird. Die weitere Entwicklung ist dabei noch ungewiss, es wird aber noch viele Monate dauern, bis wieder Vollstau erreicht wird.

Freitag, 17.10.03



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