Tornado Neumünster von
Thomas Sävert
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Tornado bei Neumünster 26. Juli 1993:

Im Sommer 1993 ging es in Deutschland munter zu. Vor allem im Juli rauschten immer wieder Tiefdruckwirbel vom Atlantik in Richtung Nordsee und Skandinavien. Ihre Ausläufer erfassten fast im Tagesrythmus weite Teile Deutschlands. Mal lenkten sie feuchtwarme Luft von der Biskaya und von Spanien zu uns, dann schwenkte schnell wieder eine Kaltfront von Westen heran und führte maritime Polarluft mit. Unwetterartige Regenfälle waren zeitweise an der Tagesordnung, dabei waren aber immer wieder andere Landesteile betroffen.

Kurz vor 11 Uhr am Vormittag des 26. Juli 1993 zog eine kräftige Gewitterzelle nördlich an Itzehoe (Schleswig-Holstein) vorbei in Richtung Osten. Bei der Ortschaft Hardebeck begann sich ein Wolkenschlauch aus den Wolken zu senken. Die ersten Auswirkungen des Wirbels am Boden gab es bei Dorotheental an der Bundesstraße 4 (Bad Bramstedt - Neumünster). Etwa 500 Meter westlich der B 4 brachen an einem Knick die ersten Äste ab. Dann überquerte der Tornado eine große Weide, auf der die Äste des Knicks verstreut lagen.

Direkt an der Bundesstraße schlug der Wirbel zum ersten Mal stärker zu: Auf einer Breite von 100 Metern war es hier schon mindestens ein F1 auf der Fujita-Skala, vielleicht sogar ein F2 mit geschätzten Windgeschwindigkeiten bis 200 Kilometer pro Stunde. 10 Bäume (alle 20-30 Meter hoch) legten sich quer über die wichtige Bundesstraße, die eineinhalb Stunden gesperrt war. Die Feuerwehren aus Wiemersdorf und Bad Bramstedt hatten alle Hände voll zu tun. Auf der anderen Straßenseite befindet sich der Parkplatz Dorotheental, der völlig verwüstet wurde. Ein angrenzendes Waldstück wurde bis auf wenige Reste vernichtet, etwa 1,5 Hektar standen hier vorher. Der Besitzer, der Landwirt vom Hof Dorotheental, war gerade im Stall, als er einen höllischen Lärm hörte. Als er dann draußen war, sah er den Wirbel vorbeiziehen.

Dann zog der Tornado über ein Maisfeld, in bis zu 150 Meter Breite wurden alle Pflanzen flachgelegt. Ein Strommast einer Überlandleitung wurde seiner Spitze beraubt. Als nächstes überquerte der Tornado die Kreisstraße 58 zwischen Brokenlande und Großenaspe, wo zahlreiche Eichen und Linden auf die Fahrbahn stürzten. Der Hof Glindamm wurde zwar nur gestreift, aber hier gab es erhebliche Schäden. Der Giebel des Hauses wurde eingedrückt, und das Dach beschädigt. Eine Scheune wurde völlig zerstört, und die Teile wurden - typisch für einen Tornado - auf dem nächsten Kilometer verstreut. Die Dachplatten wurde teilweise regelrecht aufgerollt. Einige Teile flogen bis an die etwa einen Kilometer entfernte Autobahn A 7 Hamburg-Flensburg. Die Besitzer vom Hof Glindamm waren froh, daß sie in dem Moment gerade nicht zu Hause waren, sie bekamen aber natürlich hinterher einen riesigen Schrecken.

Auf der A 7 selbst war mitten im Sommer reger Verkehr, einige Urlauber fuhren erst am Montag von Dänemark wieder nach Hause. Darunter war ein Ehepaar aus Oldenburg in Niedersachsen, die nach Hause wollten und auf der Autobahn in Richtung Süden unterwegs waren. Ihr Wohnwagenanhänger löste sich von der Kupplung und hob ab. Er flog über die befahrene Gegenfahrbahn hinweg und landete etwa 100 Meter weiter in einem Feld. Der Fahrer und seine Frau kamen mit dem Schrecken davon, mußten aber an der nächsten Abfahrt wenden, um zum beschädigten Wohnwagen zu gelangen. Er konnte auch erst eine Woche später geborgen werden.

Dann folgte eine 50 bis 100 Meter breite Schneise durch ein Waldstück, bevor der Sturm den kleinen Ort Höpen erreichte. An allen Häusern in Höpen entstanden Schäden, bei einem Bauernhaus und einer Scheune wurden die gesamten Dächer angehoben und fielen dann wieder zurück!

Die nächsten markanten Spuren zeigten sich in Freiwalde, einem kleinen Ortsteil von Großenaspe. Hier wurden an vielen Häusern Schornsteine abgerissen, Antennen flogen weg und die Dächer wurden teilweise beschädigt. Viele Bäume verloren ihre Spitzen oder wurden ganz abgedreht. Kurz vor der Siedlung überquerte der Wirbel allerdings einige kleinere Hügel und schien vielleicht daher ein wenig den Bodenkontakt verloren zu haben. Für kurze Zeit fiel der Strom aus, da erneut ein Hochspannungsmast beschädigt wurde.

Dann zog der Tornado wieder eine 50 bis 100 Meter breite Schneise der totalen Zerstörung (F2) durch ein Waldgebiet, das sich mitten durch militärisches Gelände erstreckte (Fotos wurden nicht erlaubt). Bei Heidmühlen im Kreis Segeberg fanden sich schließlich die letzten Spuren: einige größere abgebrochene Äste und ein umgestürzter Baum.

Vom Anfang vor Dorotheental bis zum Ende bei Heidmühlen sind es 13 Kilometer, für die der Sturm etwa 15 Minuten brauchte. Das istschon eine recht lange Zeit, meistens bestehen solche Wirbel nur wenige Minuten. Daß es sich wirklich um einen Tornado handelte, ist durch viele Zeugenaussagen und durch die Art der Schäden gesichert, an einigen Stellen dürfte er den oberen Bereich der Stufe 2 auf der Fujita-Skala erreicht haben mit Windgeschwindigkeiten bis über 200 Kilometer pro Stunde. Teilweise wurden Hagelkörner beobachtet und es fiel ergiebiger Regen. Ein privater Regenmesser ergab immerhin 23 Liter auf den Quadratmeter während dieses Gewitters. Am Flugplatz "Hungriger Wolf" nördlich von Itzehoe fielen am 26. Juli in mehreren Gewittern sogar 41 Liter. Das ganze Unwetter legte also eine ziemlich weite Strecke zurück. Es dauerte drei Tage, bis alle Schäden und die gesamte Schneise kartiert sowie von den Versicherungen aufgenommen waren.

Insgesamt sorgte der Tornado am 26. Juli 1993 bei Neumünster für erhebliche Schäden. Es war viel, viel Glück dabei, daß trotz der Schäden kein Mensch verletzt oder gar getötet wurde. Glücklicherweise zog der Tornado fast nur über Felder und durch Wälder, nur einzelne Höfe und kleinere Gemeinden waren betroffen. Wäre Großenaspe selbst getroffen worden, hätte die Bilanz sicherlich anders ausgesehen.

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Tornado bei Neumünster 9
Holsteinischer Courier am 27.07.93
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Weitere Links zu Tornados:
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Wetterlage 24.07.1993
Wetterlage 25.07.1993
Wetterlage 26.07.1993
Wetterlage 27.07.1993
Wetterlage 24.-27.07.1993 00 UTC(WZ)

Mehr zur Wetterlage im Juli 1993:

Die Karten links zeigen die Entwicklung der Wetterlage vom 24. bis zum 27. Juli 1993. Die Wetterlage war wirklich sehr spannend, zumindest aus meteorologischer Sicht: Auf der Vorderseite eines umfangreichen Tiefs mit Zentrum nördlich von Schottland wehte erst mal feuchtwarme Subtropikluft nach Deutschland. Dabei stiegen die Temperaturen am Samstag, den 24. Juli, am Rhein auf bis zu 28 Grad, in Schleswig-Holstein wurden Maxima bis zu 23 Grad gemessen. An der Kaltfront des Tiefs entstand dann das entscheidende Tief, ein kleiner Wirbel, der mit einer für den Hochsommer ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit von Nordspanien zur Ostsee zog. Er brachte in der Nacht zum Sonntag Regenmengen bis 30 Liter im Land, in Niedersachsen wurden sogar noch höhere Werte gemessen.

Hinter dem kleinen Unwettertief wehte dann von Westen recht kühle Luft heran, sie war in allen Höhenschichten deutlich kälter als am Vortag, z.B. in 5,5 Kilometer Höhe mit minus 25 Grad nach minus 16 Grad am Vortag. Als nun am Montag vormittag im Raum Neumünster für mehr als eine Stunde die Sonne schien, erwärmte sich die Luft am Boden schnell wieder. Dadurch entstand schon am Vormittag ein enormer Temperaturunterschied zwischen Boden und Höhe. Schnell quollen damals riesige Wolkentürme empor, die sich dann ab etwa 10:30 Uhr in kräftigen Gewittern entluden. Eines davon war dann für den Tornado bei Neumünster verantwortlich. Der Neumünster-Tornado entstand also aus einem isolierten Gewitter, nicht an einer Gewitterfront.


Links sehen Sie die Karten der Wetterzentrale vom 24. bis zum 27. Juli 1993, jeweils 02 Uhr MESZ, zum Vergrößern bitte anklicken.

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