Wetterlage 1978/79 von
Thomas Sävert
Hier erfahren Sie mehr zu der ungewöhnlichen und gleichzeitig gefährlichen Wetterlage, die sich zum Ende Dezember 1978 einstellte und zum Jahreswechsel auch dem Süden Deutschlands einen drastischen Temperaturrückgang brachte. In Norddeutschland gab es vor allem im nördlichen Schleswig-Holstein meterhohe Schneeverwehungen, während es weiter südlich bei Werten weit unter dem Gefrierpunkt noch regnete.
Wetterlage 26.12.1978

Wetterlage 27.12.1978

Wetterlage 28.12.1978

Wetterlage 29.12.1978

Wetterlage 30.12.1978

Wetterlage 31.12.1978

Wetterlage 01.01.1979

Die Schneesturm-Wetterlage 1978/79:
Die Karten links zeigen die Wetterlage Ende Dezember 1978. Dargestellt ist die Entwicklung von 26. Dezember bis zum Neujahrstag anhand der Bodenkarten, jeweils von 01 Uhr MEZ (00 UTC). Klicken Sie einfach auf die jeweilige Wetterkarte und Sie erhalten die entsprechende Karte in einer größeren Version (© by Georg Müller, Wetterzentrale).

Schon den gesamten Dezember hindurch bildeten sich auf dem Atlantik immer wieder kräftige Sturm- und Orkanwirbel, deren Ausläufer gerade noch bis nach Mitteleuropa schwenkten. Sie lenkten sehr milde Luft nach Frankreich, in der in Caux am 07. ungewöhnliche 19 Grad gemessen wurden. Die Tiefausläufer rannten gegen sich immer wieder verstärkende Hochs über Nord- und Nordosteuropa an. Eine dieser Fronten schwenkte am 08. und 09. Dezember von Südwesten her über das gesamte Mitteleuropa hinweg und löste durch Eisregen und Schnee teils chaotische Zustände aus. Die Karte der Wetterzentrale vom 08. Dezember zeigt die Wetterlage mit einem starken Atlantiktief und einem Hoch im Nordosten, das am folgenden Tag in Richtung Schwarzes Meer auswich. Allerdings bleib auch in der Folgezeit recht hoher Luftdruck nordöstlich von uns erhalten und atlantische Tiefausläufer blieben im Ostseebereich sozusagen in einem "Frontenfriedhof" stecken.

In der Folgezeit verschärften sich die Gegensätze innerhalb Europas weiter. Über Nordrussland bildete sich nach und nach ein Kältepol aus, etwa ab dem 10. Dezember wurden hier Temperaturen unter minus 40 Grad registriert, während vom Atlantik milde Luft nach Frankreich und weiter in große Teile Deutschlands gelangte. Vom 15. bis zum 17. Dezember verlagerte sich die Luftmassengrenze von Dänemark und dem Ostseeraum langsam südwärts über Deutschland hinweg, allerdings ohne spektakuläre Wettererscheinungen. Die eingeflossene Kaltluft kam schnell unter Hochdruckeinfluss. Die Tiefdrucktätigkeit auf dem Atlantik erlahmte vorübergehend, nahm aber ab dem 22. wieder an Fahrt auf. Zum 24. Dezember herrschte dann in Deutschland eine mäßig kalte südöstliche Strömung, allerdings ließ eine Warmfront die Temperaturen am Abend im Westen deutlich über den Gefrierpunkt steigen.

Über die Weihnachtsfeiertage baute sich auf dem Atlantik eine so genannte südliche Westlage auf, mit der atlantische Tiefdruckgebiete auf recht südlicher Bahn ostwärts zogen. Eines dieser Tiefs erreichte am 25. die südliche Nordsee. Am Rande des Tiefs setzte sich in fast ganz Deutschland eine südwestliche Strömung durch. Lediglich auf der Insel Sylt hielt noch Südostwind an. Dabei stiegen die Temperaturen erheblich an, am stärksten im Oberrheingebiet in Freiburg, wo am Vormittag 12 Grad gemessen wurden. Über Nordeuropa fiel der Luftdruck an diesem Montag verbreitet. Das war auf die starke Entwicklung eines von Spitzbergen nach Südosten gezogenen Tiefdruckwirbels zurückzuführen, der mit einem Kerndruck von fast 990 Hektopascal am Morgen zwischen Nordural und der Insel Nowaja Semlja angekommen war. Nach den Bodenvorhersagekarten sollte er sich nur noch wenig nach Osten, dafür stärker nach Süden ausbreiten. Dazu passt auch der starke Vorstoß eines Höhentroges mit sehr kalter Luft von Nordeuropa, der an diesem Tag am stärksten in der 3-Tages-Vorhersage aus Offenbach ausgeprägt war. Er sollte zu diesem Zeitpunkt (Donnerstag, 28.12.) bereits Berlin erfassen.

Die Entwicklung ab dem folgenden Tag, dem Dienstag (26.12.) sehen Sie links dargestellt. Hier finden Sie die entsprechenden Bodenkarten wieder. An diesem Tag befand sich der Norden Dänemarks weiter in der Frostluft. Über dem südlichen Schweden und dem Nordteil Jütlands kam es weiterhin zu anhaltenden Schneefällen. Inzwischen hatte sich von den Azoren über die Britischen Inseln bis zur Ostsee eine Tiefdruckrinne gebildet, die immer wieder Nachschub durch neue Randtiefs erhalten sollte. Damit dauerte der Zustrom milder Luft von Westen her nach Deutschland weiter an. Für die nächsten 48 Stunden zeigten die einzelnen Wetterdienste sehr unterschiedliche Entwicklungen, doch wurde überwiegend von einer Verlagerung der Luftmassengrenze zum Donnerstag ins nördliche Deutschland ausgegangen.

Mittwoch, 27.12., hier der Originaltext der Berliner Wetterkarte: "Der ostatlantische Tiefdruckwirbel "C" verstärkte sich auf einen Kerndruck unter 970 mbar südwestlich von Irland. Er lenkt auf seiner Vorderseite sehr milde subtropische Meeresluft nordwärts, in der heute morgen im Baskenland 17 Grad gemessen wurden. Heute mittag stieg auch in Ostfrankreich die Temperatur örtlich bis nahe 15 Grad. Infolge verbreiteten Luftdruckfalls über Westeuropa stellt sich über Deutschland wieder eine südwestliche Strömung ein, mit der morgen die über Norddeutschland verlaufende Luftmassengrenze zumindest vorübergehend wieder nordwärts wandert. Nach den numerischen Höhenvorhersagekarten wandert aber der zu den Britischen Inseln und der Nordsee weisende Hochkeil unter erheblicher Abschwächung rasch ostwärts, und die amerikanischen Karten zeigen am Sonnabend einen Trog über Mitteleuropa.
Es wird daher angenommen, daß sich morgen im Tagesverlauf am Okklusionspunkt von "C" ein Randtief bildet, das über das nördliche Mitteleuropa hinweg rasch ostwärts zieht. Daher wird dann der nächsten 48 Stunden die über Skandinavien bereitstehende Frostluft nach Süden vorstoßen und zumindest im zentralen und nördlichen Deutschland wieder winterliches Wetter bringen. Auch heute gab es in Lappland wieder strenge Fröste, und selbst in Östersund wurde gestern ein Maximum von -25 Grad gemessen." - Soweit das Zitat aus der damaligen Berliner Wetterkarte. Die aktuellen Vorhersagekarten für die nächsten 72 Stunden waren also gar nicht schlecht, wenn sie auch den Vorstoß der arktischen Luft etwas zu schnell zeigten.

Donnerstag, 28.12.: An diesem Donnerstag dehnte sich die Tiefdruckrinne weiter nach Osten aus, sie erstreckte sich nun vom mittleren Nordatlantik über die Britischen Inseln und die Küstenregionen von Nord- und Ostsee hinweg bis nach Polen. An ihrem Südrand wurde es immer milder, am Morgen wurden in Freiburg 15 Grad gemessen. Über Norddeutschland bildete sich eine scharfe Luftmassengrenze (dazu Temperaturen in rund 1.500 Meter Höhe) aus, auf deren Nordseite es im nördlichen Schleswig-Holstein und im Ostseeküstenbereich Mecklenburg-Vorpommerns stark schneite. Die Luftmassengrenze schwenkte zunächst noch etwas nach Norden, kam aber gegen steigenden Druck über Skandinavien nicht mehr wesentlich voran. Über Lappland war der Luftdruck innerhalb von 24 Stunden um bis zu 10 Hektopascal angestiegen. Am Donnerstag nachmittag lag der Schwerpunkt des Luftdruckfalls dann mehr über Polen, die Tiefdruckrinne weitete sich immer mehr nach Osten aus, der Weg nach Norden war versperrt. Die Luftmassengrenze schwenkte daher am Abend langsam wieder nach Süden. So ging der Dauerregen gegen 20 Uhr auch im Bereich südlich von Itzehoe im südlichen Schleswig-Holstein sehr plötzlich in Schnee über. Trotz nassen Bodens war es innerhalb von 5 Minuten weiß. Ein weiterer Tiefdruckwirbel näherte sich dann im Laufe des Tages dem Seegebiet südwestlich Irlands und wurde mit der starken westlichen Höhenströmung ostwärts geführt. Gleichzeitig sanken die Temperaturen über Lappland in allen Höhenschichten weiter ab. Die Vorhersagekarten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des britischen Wetterdienstes (UKMO) erfassten die Lage sehr gut, gingen aber für die kommenden Tage von einer weiteren, etwas zu raschen Südverlagerung der Luftmassengrenze aus. Die schwedischen Vorhersagekarten berechneten die Grenze zu weit im Norden.

Freitag, 29.12: Die Temperaturgegensätze über dem nördlichen Mitteleuropa verschärften sich weiter, hier die Karte für rund 1.500 Meter Höhe. Das Tief bei Irland erreichte am Nachmittag England und drückte mit milder Luft dagegen, während der Luftdruck über Nordskandinavien noch etwas anstieg. Die Luftmassengrenze verlief am Nachmittag von England über Niedersachsen und dem südlichen Brandenburg nach Polen. Südlich davon wurden oft zweistellige Plusgrade gemessen, zum Beispiel in Dresden 11 Grad. Nur 200 Kilometer weiter nördlich meldete Angermünde im Nordosten Brandenburgs am Mittag bereits minus 9 Grad. Mit auffrischendem Ostwind wurde bodennah sehr kalte Luft angesogen. Durch die aufgleitende Warmluft entwickelten sich umfangreiche Niederschlagsgebiete, meist Schnee, aber unmittelbar nördlich der Luftmassengrenze oft Eisregen, in Neuruppin sogar bei minus 6 Grad! In Schleswig-Holstein und auf der Insel Rügen gibt es bereits stärkere Schneeverwehungen. Extrem kalt war es im Norden Russlands, wo in Kojnas rekordverdächtige minus 55 Grad erreicht werden. Die aktuellen Vorhersagen lassen bereist für den 30. den Vorstoß der Kaltluft bis nach Süddeutschland erwarten. Von katastrophalen Ausmaßen ist auch in der Berliner Wetterkarte noch nicht die Rede.

Sonnabend/Samstag, 30.12.: Die ungewöhnlich scharf ausgeprägte Grenze zwischen der sehr milden Meeresluft über dem südlichen Mitteleuropa und extrem kalter arktischer Festlandsluft über Nord- und Osteuropa (dazu die Karte für rund 1.500 Meter Höhe) verlief heute mittag vom Rheinland über Hessen und den Thüringer Wald nach Böhmen. In ihrem Bereich kam es daher in Deutschland auch in den vergangenen 24 Stunden zu seltenen Wettererscheinungen. So hielten die ergiebigen Dauerschneefälle in Schleswig-Holstein an und führten im Norden zu chaotischen Zuständen. In Schleswig fiel innerhalb von 24 Stunden eine Wassermenge von 27 Litern pro Quadratmeter, und die Höhe der Schneedecke betrug dort heute früh 40cm. Dabei kam es aber zu meterhohen Verwehungen, da der Oststurm anhielt. Auf der Insel Sylt wurden Böen der Stärke 10 registriert. im unmittelbaren Frontbereich kam es im Mittelgebirgsraum gebietsweise zu Regen mit starken Glatteisbildungen, und Görlitz meldete heute vormittag bei -11 Grad Eisregen. Der Radiosondenaufstieg von Lindenberg (südöstlich von Berlin) verzeichnete in den unteren Schichten einen Temperaturanstieg von 15 Grad innerhalb weniger hundert Meter. Vom Atlantik nähern sich weitere Tiefdruckgebiete, während der Luftdruck über Mittelskandinavien und nun auch in Südschweden weiter ansteigt. In Nordrussland ist es weiter extrem kalt mit Tiefstwerten zwischen -40 und -50 Grad und auch in Moskau werden -35 Grad gemessen.

Zum Silvestertag spitzte sich die Wetterlage weiter zu, hier die Karte für rund 1.500 Meter Höhe.

(Zum Vergrößern einfach auf die Berliner Wetterkarte von 13 Uhr MEZ klicken, ca. 300 KB)
Sehr rasch zog am Sonntag (31.12.) ein weiteres Tief über Deutschland hinweg ostwärts. Dabei verschärften sich die Gegensätze weiter. Am Vormittag wurden in Freiburg 12 Grad gemessen und damit 30 Grad mehr als zur gleichen Zeit in Berlin. Der Wind über dem Norden nahm noch etwas zu und auf Sylt wurde eine Böe von 55 Knoten oder 102 km/h gemessen. In Schleswig-Holstein waren viele Menschen in ihren Autos eingeschlossen, mehrere erfroren in ihren Fahrzeugen. Helfer mussten viele Menschen retten, tausende waren ohne Strom. Die Temperaturen lagen auch tagsüber weiter unter Null, besonders in Brandenburg sogar nahe -20 Grad! Auch im südlichen Sachsen und Thüringen gingen die Werte weiter zurück. Chemnitz meldete am Nachmittag (siehe Karte oben) sogar bei minus 15 (!) Grad Eisregen, da sich die Warmluft bei der Annäherung des neuen Tiefs über die Kaltluft wieder etwas nach Norden schob. Auf dem Atlantik riss nun aber der Tiefnachschub ab. Daher konnte die Kaltluft hinter diesem Wirbel mit der Bezeichnung "E" nach Süden vorstoßen.

In der Neujahrsnacht bot sich dann folgendes Bild:

(© by Jürgen Vollmer)
Die Karte zeigt die Wetterlage in der Nacht vom 31.12.1978 zum 01. Januar 1979. Die Tiefdruckrinne mitten über Deutschland trennt extrem kalte Festlandsluft im Norden und Nordosten Deutschlands von sehr milder Meeresluft über Süddeutschland. Innerhalb weniger Stunden stieß die Kaltluft dann bis zu den Alpen vor, dazu die Karte für rund 1.500 Meter Höhe, auf der sich die Kaltluft immer mehr den Alpen näherte. Dabei gab es eindrucksvolle Wettererscheinungen, teilweise stürzten die Temperaturen innerhalb einer Stunde um mehr als 15 Grad in den Keller, örtlich wurde innerhalb von Minuten aus Regen bei milden Temperaturen Eisregen und Schnee bei Dauerfrost. Wurden in München um 22 Uhr noch + 8 Grad gemessen, waren es 12 Stunden später -8 Grad!. In Berlin wurde die kälteste Neujahrsnacht seit mindestens 100 Jahren registriert, hier sank die Temperatur in Dahlem bis -18,6 Grad. Im Norden hörten die Dauerschneefälle endlich auf. In Schleswig wurde eine Schneehöhe von 60 cm, in Husum sogar von 100 cm festgestellt, wenn auch diese Werte eher Schätzwerte sein konnten wegen der erheblichen Verwehungen. In der Nacht zum 02. Januar hat die Kaltluft das gesamte Mitteleuropa erfasst. Die Kaltluft gelangte dann teilweise unter Hochdruckeinfluss, wobei die Nachtwerte fast überall zweistellig waren.

Das gefährliche an der Wetterlage waren die extremen Gegensätze, die sich aufbauen und gleich mehrere Tage halten konnten, da gleich mehrere Tiefs mit der starken Höhenströmung in rascher Folge über Deutschland hinweggeführt wurden, während der Luftdruck über Nordeuropa weiter anstieg. In der Höhe wirkte sich ein Trog (Tief) über Nordosteuropa aus, der ebenso dagegen drückte und die Tiefs aus einer südlichen Bahn hielt. Die Gegensätze waren extrem, was sich zum Beispiel in dem Eisregenereignis in Chemnitz bei -15 Grad widerspiegelt, sie waren dennoch von den Modellen erstaunlich gut vorhergesagt.

Abschließend möchte ich noch einmal einen herzlichen Dank an das Meteorologische Institut der FU Berlin aussprechen, das mir freundlicherweise die Veröffentlichung einiger Karten und Texte gestattet hat. Mein Dank richtet sich ebenso an Georg Müller von der Wetterzentrale und allen weiteren Personen, die diesen Rückblick möglich gemacht haben.

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